Die Lotusgeburt

Bei der sogenannten Lotusgeburt handelt es sich nicht um eine spezielle Methode der Entbindung, sondern vielmehr um eine Entscheidung in Bezug auf die Abnabelung des Kindes. Am Ende der Nachgeburtsphase wird die Nabelschnur nicht durchtrennt, das Baby bleibt mit dem Mutterkuchen verbunden.

Schwangere Frau und ihr Mann vor einer Lotusgeburt

Physiologische Abnabelung

Ursprung der Lotusgeburt

Der Begriff „Lotusgeburt“ bezieht sich in erster Linie auf die Nachgeburtsphase und das frühe Wochenbett. Er geht angeblich auf die Amerikanerin Clair Lotus Day zurück, die in den 70er-Jahren als erste Frau eine Lotusgeburt durchgeführt hat. Als Vorbild diente das Verhalten einer Schimpansin, die ihr Neugeborenes nach der Geburt nicht von der Plazenta getrennt hatte. Wenn du dich für eine Lotusgeburt entscheidest, bedeutet das, auf den üblichen Abnabelungsprozess zu verzichten. Zuerst wird dein Baby geboren, in der Nachgeburtsphase wird die Plazenta ausgestoßen.

Anschließend wird sie so gehalten, dass die optimale Blutversorgung des Babys gewährleistet bleibt. Das Durchtrennen der Nabelschnur, z.B. durch den Vater des Kindes, entfällt. Die Verbindung zwischen Plazenta und Baby bleibt also auch außerhalb vom Mutterleib aufrecht. Das heißt natürlich auch, dass Baby und Plazenta immer gemeinsam platziert werden müssen, beispielsweise beim Stillen oder in der Wiege. Ziel der Lotusgeburt ist es, das natürliche Abfallen der Nabelschnur abzuwarten. Das dauert etwa 5-10 Tage. Die Nabelschnur trocknet aus, auch die Plazenta schrumpft.

Medizinische Studien

Medizinisch relevante Studien zum Thema Lotusgeburt gibt es bislang keine. Insgesamt ist es so, dass diese spezielle Form der Entbindung in der klassischen Medizin keinen Niederschlag findet. Dem „natürlichen“ Abnabelungsprozess liegt die Annahme zugrunde, dass das Kind dadurch behutsamer in der neuen Welt ankommt. Da sich die Plazenta aus mütterlichem und fetalem Gewebe zusammensetzt, gehen die Befürworter der Lotusgeburt davon aus, dass eine zu frühe Abnabelung einen Verlustschmerz auslösen kann. Daher empfehlen sie, die natürliche Trennung von Nabelschnur und Mutterkuchen, also Baby und Plazenta, abzuwarten. Da es unter dieser Perspektive dann keine künstlich herbeigeführte Trennung gibt und das sogenannte „Plazentatrauma“ ausbleibt.

Aufgrund der Studienlage ist es nicht möglich, valide Aussagen zu treffen, ob Babys tatsächlich profitieren, wenn sie länger als üblich mit der Plazenta in Verbindung bleiben. Mütter, die eine Lotusgeburt erlebt haben, berichten häufig von sehr entspannten Babys und einer ausgesprochen friedlichen Atmosphäre im Wochenbett. Das ist jedoch auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Auch der Vater/Partner der Frau ist bei einer Lotusgeburt mehr gefordert als üblich. Schließlich gilt es, beim Stillen, Wickeln und Baden nicht nur das Baby zu versorgen, sondern die Plazenta zu halten oder sicher zu platzieren.

Konservierung des Mutterkuchens

Die Plazenta wird üblicherweise nach der Geburt entsorgt. Bei einer Lotusgeburt hingegen wird sie aufbewahrt, da die Nabelschnur nicht künstlich vom Baby getrennt wird. Bis die Nabelschnur abfällt, muss das Plazentagewebe entsprechend konserviert werden, um das Infektionsrisiko zu minimieren sowie Geruchsbildung zu vermeiden. Direkt nach der Geburt sollte die Plazenta abtropfen und gegebenenfalls vorsichtig abgewaschen werden.

Dann startest du mit dem Konservierungsprozess. Im getrockneten Zustand legst du sie in Salz ein. Es gilt darauf zu achten, dass wirklich der gesamte Mutterkuchen von Salz umgeben ist. Der Vorgang ist mit dem Pökeln von Fleisch vergleichbar. Ist die Plazenta eingesalzen, wandert sie zur Aufbewahrung in einen Topf oder eine eigens angefertigte Plazentatasche. Wer möchte, kann dem Salz ätherische Öle (Achtung bei der Dosierung) und getrocknete Kräuter hinzufügen. Einmal täglich sollte die Plazenta abgetupft und frisch mit Salz bedeckt werden. Mit der Zeit verliert sie immer mehr an Feuchtigkeit und trocknet letztlich völlig aus.

Vor- und Nachteile einer Lotusgeburt

Lotusgeburten werden in Spitälern nicht praktiziert. Wenn du dich dafür interessierst, solltest du dich gemeinsam mit einer Hebamme auf dieses Ereignis vorbereiten und entsprechende Vorkehrung zu Hause treffen. Eine Hausgeburt bietet sich in diesem Zusammenhang an, manchmal wird die Lotusgeburt auch in einem Geburtshaus durchgeführt. Wie bereits erwähnt, handelt es sich um einen weitgehend unerforschten Trend der Geburtshilfe. Bei jenen Aspekten, die für eine Lotusgeburt sprechen, sollte man stets bedenken, dass sie hauptsächlich auf Erfahrungsberichten basieren:

  • Babys, die ein natürliches Abnabeln erleben, wirken zufriedener, ausgeglichener und insgesamt ruhiger.
  • Eine Lotusgeburt gilt als stärkend für das Immunsystem des Babys, da keine Nährstoffe durch frühes Abnabeln verloren gehen.
  • Auch geht man davon aus, dass Babys besser mit Sauerstoff und Eisen versorgt sind, je länger die Verbindung zwischen Kind und Plazenta bestehen bleibt. Auf einigen Entbindungsstationen gibt es die Möglichkeit, die Nabelschnur „auspulsieren“ zu lassen. Dieses spätere Abnabeln wird in der Fachsprache „Delayed Cord Clamping“ (DCC) genannt.
  • Bleibt die Nabelschnur bis zum „natürlichen“ Abfallen zwischen Baby und Plazenta, besteht ein geringeres Risiko für Neugeborenengelbsucht.
  • Ein starker Gewichtsverlust in der ersten Woche ist bei Babys, die per Lotusgeburt auf die Welt kommen, seltener zu beobachten.

Aus medizinischer und praktischer Sicht sprechen folgende Punkte gegen eine Lotusgeburt:

  • Von den positiven Effekten des „Auspulsierens“ profitiert das Baby nur in den ersten Minuten nach der Geburt. Danach gibt es keinen relevanten Nährstoffaustausch mehr.
  • Im Laufe der Zeit schrumpft die Plazenta nicht nur, es finden zudem Fäulnisprozesse statt. Dadurch besteht ein sehr hohes Infektionsrisiko. Bakterien und Keime können sich im Gewebe ansiedeln und auf das Baby übertragen werden. Der Infektionsschutz ist einer der Hauptgründe, warum Lotusgeburten in Spitälern nicht praktiziert werden.
  • Säugling und Plazenta müssen immer gleichzeitig getragen oder abgelegt werden. Das bedeutet, überall wo das Baby ist, muss auch die Plazenta sein. Im Internet findet man Anleitungen, wie man eine Plazentatasche, die den Transport erleichtert, näht.
  • Bei einer Lotusgeburt können keine Stammzellen aus dem Nabelschnurblut gewonnen werden.
  • Die tägliche Konservierung der Plazenta ist sehr zeitaufwendig.
  • Der Umgang mit dem Baby, der Nabelschnur und der Plazenta muss sehr behutsam erfolgen. Ein Reißen (wenn auch unabsichtlich, z.B. durch Geschwisterkinder) an der Nabelschnur ist dringend zu vermeiden. Es besteht Verletzungsgefahr für das Baby!

Tipp: Wenn du dir eine Lotusgeburt für dich und dein Baby vorstellen kannst, empfehlen wir dir sorgsames Abwägen deiner Entscheidung und eine sehr gute Vorbereitung. Kontaktiere so früh wie möglich eine Hebamme, die mit Lotusgeburten vertraut ist und lege mit ihr im Vorfeld alle Details fest. Schließlich ist das Konservieren und Aufbewahren der Plazenta eine zusätzliche Aufgabe im Wochenbett, auch das Infektionsrisiko müsst ihr speziell im Blick behalten.

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