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Durch Nähe und Berührung entsteht Synchronität zwischen Mutter und Kind
Mittlerweile weiß man, wie essenziell ein frühes Bonding für das Bindungserleben von Müttern und Babys ist. Direkt nach der Geburt wird auf Entbindungsstationen das erste enge Bonding aktiv gefördert, da es eine Reihe von körperlichen und emotionalen Prozessen in Gang bringt. Möglichst ungestörter Hautkontakt zwischen dem Neugeborenen und der Mutter unterstützt auch den Milcheinschuss und erleichtert den Stillstart. Dass sich Mutter und Kind durch Nähe und Berührung auch dann aneinander anpassen, wenn die Kinder schon ein paar Wochen alt sind, zeigt nun eine Studie der Universität Wien.
Fakten-Box
Titel im Original: Proximity and touch are associated with neural but not physiological synchrony in naturalistic mother-infant interactions
Veröffentlichungsdatum: 20.09. 2021
StudienautorInnen: Trinh Nguyen, Drew H Abney, Dina Salamander, Bennett I Bertenthal, Stefanie Hoehl
Status: Peer Reviewed
Hintergrund der Studie
Körperkontakt ist für das Aufrechterhalten von zwischenmenschlichen Beziehungen essenziell. Berührungen, Streicheleinheiten, Zärtlichkeiten und Kuscheln wirken sich direkt auf unseren Hormonhaushalt aus. Der Körper schüttet dann Oxytocin, das Bindungs- und Kuschelhormon aus. Es führt dazu, dass Stress abgebaut werden und Entspannung eintreten kann. Zudem stellen wir über den Körperkontakt eine Verbindung zu unserem Gegenüber dar, es handelt sich hierbei um einen wichtigen Bestandteil der non-verbalen Kommunikation. Aus der Bindungsforschung weiß man, dass gerade bei Neugeborenen und Müttern die Berührung von großer Bedeutung ist, da sie Geborgenheit auslöst und sicherstellt, dass eine wechselseitige Bindung entstehen kann, die wiederum die Versorgung des Babys gewährleistet. A
uch später suchen Kleinkinder und Kinder häufig körperlichen Trost bei ihren Eltern. Nach Verletzungen oder in Übergangssituationen, die als emotional kritisch erlebt werden, z. B. Eingewöhnung im Kindergarten (vorübergehendes Lösen von der Bezugsperson). Berührungen unterstützen außerdem die Entwicklung des Kindes, prägen das soziale Verhalten und wirken sich positiv auf den Gesundheitszustand des Kindes aus. Trinh Nguyen, MSc und Univ.-Prof. Dipl.-Psych. Dr. Stefanie Höhl von der Fakultät für Psychologie am Institut für Psychologie der Entwicklung und Bildung Universität Wien wollten gemeinsam mit wissenschaftlichen KollegInnen aus den USA im Rahmen einer Studie nun herausfinden, ob die Signale, die durch Berührungen ausgesendet werden, auch tatsächlich körperlich messbar sind. Denn dieser Bereich gilt bislang als noch nicht tiefer gehend erforscht. Das Augenmerk bei dieser Studie sollte auf der Herzfrequenz und den Gehirnaktivitäten von Mutter und Kind liegen. Publiziert wird die Studie in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals NeuroImage.
Wie wurde die Studie durchgeführt?
Für die Studie wurden 81 Mutter-Kind-Duos rekrutiert, die sich zuvor in einer Datenbank für freiwillige StudienteilnehmerInnen eingetragen hatten. Die Teilnahme an der Studie wurde vergütet. 72 Mutter-Kind-Duos konnten die Beobachtungsstudie abschließen. Neun Duos sind ausgeschieden, da die Säuglinge in der Vorbereitungsphase oder kurz vor dem Ende des Experimentes unruhig wurden und zu schreien begannen. Die Säuglinge waren bei dem Experiment zwischen vier und sechs Monate alt und wurden alle termingerecht nach der 36. Schwangerschaftswoche geboren. Das Alter der Säuglinge reichte von 4-6 Monate. Die Säuglinge wurden gesund und termingerecht geboren, mit einer Schwangerschaftsdauer von mindestens 36 Wochen. Es gab weder bei den Müttern noch bei den Kindern neurologische Vorerkrankungen.
Zum Setting der Studie: Die Betreuungsperson (Mutter) und das Baby wurden gemeinsam in einem Raum platziert. Sie saßen entweder nebeneinander oder das Kind nahm am Schoß der Mutter Platz. Für etwa 90 Sekunden schauten sich beide ein Unterwasservideo an, das Fische zeigte, die in einem Becken hin und her schwammen. Nach dieser Medienphase setzten sich Mutter und Kind gegenüber, sodass sie sich von Angesicht zu Angesicht befanden. Sie durften nun fünf Minuten frei miteinander spielen und interagieren, jedoch ohne Spielzeug und ohne Gesang. Die Interaktion der beiden wurde während des gesamten Experimentes von insgesamt drei Kameras gefilmt. Zudem wurde die neuronale Aktivität in der Mutter-Säuglings-Dyade mit einer funktionelle Nah-Infrarotspektroskopie (fNIRS) gemessen. Mithilfe einer Elektrokardiografie (EKG) wurden die Herzrhythmusaktivitäten von Mutter und Kind aufgezeichnet. Die funktionelle Nah-Infrarotspektroskopie erlaubt es, die Sauerstoffsättigung im Frontalhirn zu dokumentieren, die wiederum Rückschlüsse auf die emotionale Anpassungsleistung, die Aufmerksamkeit sowie die Selbstregulierung in Interaktionen zulässt.
Studienergebnisse
Die Beobachtungen und fNIRS- oder EKG-Messungen legen den Schluss nahe, dass sie die Gehirnaktivitäten von Mutter und Kind speziell dann synchronisieren, wenn es zu Berührungen kommt. „Die Ergebnisse zeigten, dass Mutter-Baby-Paare ihre Gehirnaktivität vor allem dann wechselseitig anpassten, wenn sie sich berührten. Dies funktionierte sowohl wenn die Mutter das Baby eng am Körper hielt und beide ein Video anschauten, als auch wenn sie gemeinsam spielten und die Mutter dabei das Kind liebevoll berührte, z. B. durch Küssen, Streicheln und sanfte Massage. Die neue Studie belegt, dass Berührungen eine grundlegende Rolle in der frühen Anpassung der Gehirnaktivität zwischen Müttern und Säuglingen spielt.“, so die AutorInnen der Studie in einer Aussendung der Universität Wien. Ein Gleichklang hinsichtlich der Herzaktivität konnte ebenfalls beobachtet beim Spiel zwischen Mutter und Kind beobachtet werden. Berührungen spielen dabei wie es scheint jedoch keine Rolle. Der Herzschlag der Mutter passt sich allerdings an den des Babys an, wenn das Kind klare Signale von Unruhe und Unwohlsein anzeigt.
Empfehlungen der AutorInnen
Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um die erste mehrstufige Hyperscanning-Studie zu natürlichen Mutter-Kind-Interaktionen mit Säuglingen im Alter von 4 bis 6 Monaten. Das ForscherInnenteam rund um Trinh Nguyen beleuchtet die Interaktionsqualität von Mutter und Kind. Ein Ausblick zeigt, dass weitere Untersuchungen angestrebt werden sollte, um festzustellen, wann und wie sich Bezugspersonen und Kinder auf neuronaler, physiologischer und auf der Ebene des Verhaltens koordinieren. Dies würde Erkenntnisse darüber zulassen, wie sich Berührungen auf das soziale Lernen auswirken beziehungsweise wie man diese Form des Lernens durch Berührung unterstützen kann. Ebenso können wissenschaftliche Ergebnisse aus diesem Bereich Rückschlüsse auf mögliche Interventionen auf der Früh- und Neugeborenenstation ermöglichen (Stichwort: Känguru-Pflege).
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